Die Verkehrsbelastung der L 289 von der Autobahnabfahrt Moitzfeld (Bergisch Gladbach-Bensberg) über Herkenrath bis Spitze ist insbesondere zu Rush-Hour-Zeiten enorm. Es ist deshalb grundsätzlich richtig, eine Entlastung mithilfe eines leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehrs voranzutreiben und das Gewerbe rund um den Technologiepark besser an den ÖPNV anzuschließen.  Deshalb wurde die Transport Technologie-Consult Karlsruhe GmbH vom Rheinisch-Bergischen Kreis beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu einsetzbaren alternativen Verkehrssystemen auf dieser Strecke und in einer zweiten Phase ein darauf basierendes Umsetzungskonzept zu erstellen.

Die Ergebnisse haben sowohl Bedeutung für Bergisch Gladbach als auch für Kürten am nördlichen Ende einer geplanten Streckenführung. Deshalb befassen sich die Ratsausschüsse beider Kommunen mit dem Thema.

Was Bergisch Gladbach betrifft, ist im Ausschuss für Mobilität und Verkehr (AMV) am 18. April 2023 eine Vorentscheidung gefallen, die die FWG nicht mitgetragen konnte.

Warum?

Zunächst wollen wir klarstellen, dass wir uns keineswegs dagegen wehren, wenn eine Entlastung des Individualverkehrs auf dieser Strecke erreicht wird. Und klar ist auch, dass der ÖPNV dabei eine tragende Rolle spielt. Der Beschluss des AMV zur Präferierung einer autonom fahrenden Shuttle mit eigener Trasse beruhte aber auf einer Datengrundlage, die völlig unzureichend ist und noch viele Fragen aufwirft. Diese müssen zunächst beantwortet werden, bevor eine Entscheidung über eine Investition von fast 70 Millionen Euro gefällt wird. Soviel nämlich soll die Umsetzung des Shuttle-Systems kosten.

In der ersten Phase der Machbarkeitsstudie wurden mehrere Verkehrssysteme miteinander verglichen. Dies waren

  • Bus Rapid Trans (Schnellbussystem mit eigener Trasse)
  • Autonome Shuttle (mit eigener Trasse)
  • Seilbahn
  • Transportsystem Bögl (fahrerlose Magnetbahn ähnlich Transportsystem Flughafen Düsseldorf)
  • Stadtbahn (wie Kölner Straßen- oder U-Bahn)
  • PeopleMoover (schienengeführte autonome Bahn)

Im Vergleich obsiegte das BRT-System, gefolgt von der autonomen Shuttle. Schon an dieser Vergleichsstudie hatte die FWG Zweifel geäußert, weil subjektive Bewertungen (zum Beispiel „Vorbildfunktion“) das Ergebnis maßgeblich beeinflusst haben. Außerdem stellt die Studie lediglich die derzeitige technische Situation dar und berücksichtigt nicht die zukünftigen Chancen des autonomen Verkehrs, der sich ab 2030 nach Meinung vieler Verkehrsexperten immer mehr durchsetzen wird. Er wird mit höchster Wahrscheinlichkeit eigene Trassen für ÖPNV-Systeme überflüssig machen können.

In der letzten AMV-Sitzung hatte die Stadtverwaltung auf Basis der Präferenz für das Shuttle-System nun bereits eine Vorlage erarbeitet, die die nächsten Schritte zur Implementierung in Abstimmung mit den beteiligten Kommunen und weiteren Projektpartnern einleiten soll. Gegen die Stimmen der FWG wurde dieser Vorlage mit Mehrheit zugestimmt. Ein für uns unverständlicher Vorgang, weil

  • die vom Rheinisch-Bergischen Kreis knapp vor dem Ausschusstermin herausgegebenen Unterlagen dem AMV offensichtlich nicht vorlagen, jedenfalls nicht in der städtischen Verwaltungsvorlage enthalten waren.
  • die vorgenommene Prognose hinsichtlich der Fahrgastzahlen (und damit der Wirtschaftlichkeit) darauf beruht, dass sowohl die sich in der Nähe der Trasse befindlichen FNP-Flächen bebaut werden als auch das Gewerbegebiet Spitze entsteht. Das ist aber überhaupt nicht entschieden und politisch umstritten. Gegen ein Gewerbegebiet Spitze wendet sich die CDU vehement und die Bebauung umstrittener FNP-Flächen findet jedenfalls bei uns Widerstand.
  • unklar ist, auf welche Weise die prognostizierten Arbeitsplätze bei Miltenyi und im Technologiepark ermittelt wurden.
  • die vorgesehene Trassenführung eine Versiegelung von Weiden und Grünflächen bedeutet. Und nicht nur das: Die Flächen müssen erworben werden. Die vorgesehene Trasse läuft teilweise über seit langem bebaute Grundstücke. Die Verwaltung brachte dabei selbst die Möglichkeit von Enteignungen ins Spiel, wogegen wir uns vehement wehren. Hierzu muss man wissen, dass selbst der Bau eines Fahrradweges bis Spitze nunmehr über 10 Jahre daran scheitert, dass einige Eigentümer dafür keine Flächen zur Verfügung stellen wollen.
  • der zu erwartende Förderanteil, falls es überhaupt einen solchen gibt, überhaupt nicht beziffert ist.

Grafik TTK

Trotz dieser unklaren Situation hat der Ausschuss gegen unser Votum eine Entscheidung getroffen, die Investitionen von fast 70 Millionen Euro bedeuten und selbst, wenn ein Förderanteil oder eine sonstige Mitfinanzierung abgezogen werden, Aufwendungen für Bergisch Gladbach bedeuten, die aus unserer Sicht angesichts des kleinen Zeitgewinns der Shuttle gegenüber herkömmlichen ÖPNV-Systemen nicht zu vertreten sind.

Wir haben für die nächste Ausschuss-Sitzung deshalb eine Reihe von Fragen gestellt:

  • Wie wird die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, die durch die Trasse geteilt werden, sichergestellt?
  • Um Eingriffe in private Grundstücke zu vermindern, wird an mehreren Streckenbereichen eine einspurige Trassenführung vorgeschlagen. Wurde die Verlängerung der Fahrzeit in die Fahrzeitberechnungen berücksichtigt?
  • In mehreren Streckenbereichen sind Eingriffe in private Grundstücke notwendig. Werden hier Enteignungsverfahren gegen Eigentümer, die sich trotz eines angemessenen Angebotes nicht freiwillig von Grund und Boden trennen wollen, durchgeführt?
  • Welche Annahmen zur Entwicklung der Anteile des Homeworkings wurden bei den Fahrgastprognosen vorausgesetzt?
  • Welche Fahrgaststeigerungen sind für die Linie 1 Richtung Köln laut KVB möglich?
  • Bei den Hochrechnungen der Arbeitsplätze werden für den Technologiepark 1.500 zusätzliche Arbeitsplätze und für Milenyi 2.500 zusätzliche Arbeitsplätze angesetzt. Auf welchen Flächen sollen die Arbeitsplätze entstehen?
  • Wurde berücksichtigt, dass wahrscheinlich bei einem Teil der neuen Arbeitsplätze die Tätigkeit im Homeworking erledigt wird?
  • Wie kommt die Verwaltung bzw. die TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TKK) zu der Annahme, dass die Umsetzung aller FNP-Gebiete die vielversprechendste Variante sei?
  • Wie hoch ist der Förderanteil an den Planungs- und Erstellungskosten?
  • Welche Umsetzungsschritte des TKK Berichts beinhaltet der  Wortlaut „nächste Schritte zur Implementierung eines Verkehrssystems autonomer Shuttle“?