Der vom Büro Quaestio im Auftrag der Stadt vorgelegte Entwurf zum Handlungskonzept Wohnen und zur Konkretisierung der im letzten Rat beschlossenen Baulandstrategie stößt auf massiven Widerstand der Freien Wählergemeinschaft Bergisch Gladbach (FWG).

Benno Nuding, FWG-Vorsitzender: „Die in der Studie vorgenommenen Hochrechnungen zum Wohnungsbedarf in Bergisch Gladbach liefern irreführende und vor allem gefährliche Schlussfolgerungen.“

Eine von Quaestio empfohlene Aktualisierung des Baulandbeschlusses soll wegen des angespannten Wohnungsmarktes eine verpflichtende Quote von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau vorsehen. Die Studie ermittelt einen Bedarf von 800 solcher Wohnungen und leitet daraus ab, dass 2700 Wohnungen bis 2035 in Bergisch Gladbach neu entstehen müssen.
Das ergäbe einen Flächenbedarf von 58 bis 84 Hektar. Da der nicht zur Verfügung stehe – so die Studie -, müssten über die Baulandstrategie Frei- und Naturflächen zur Besiedlung eingesetzt werden.
Wir wissen aber, dass ist nur möglich ist, wenn dort Bebauungspläne rechtskräftig werden. Der aktuelle Flächennutzungsplan (FNP) hat gezeigt, dass zu den Potentialflächen zahlreiche begründete Einwände bestehen, die – wie die Stadtverwaltung immer wieder im Laufe des FNP-Verfahrens betonte – im Rahmen der Bebauungspläne geklärt und einbezogen würden.

Die FWG lehnt das Opfern weiterer Natur- und Freiflächen ab. Sie wehrt sich gegen eine zunehmende Verstädterung Bergisch Gladbachs, zu der ein solcher Beschluss führen würde. Benno Nuding: „Vor dem Hintergrund der allseits begrüßten aktuellen Klimaanalyse der Stadt ist ein solcher Schritt überhaupt nicht zu rechtfertigen.“ Hiernach muss ein Großteil der Flächen von einer Besiedlung freigehalten werden, wenn man Klimaschutz wirklich ernst nimmt.
Und auch die im Zusammenhang mit dem Flächennutzungsplan (FNP) beschlossenen Voraussetzungen zu seiner Umsetzung (10-Punkte-Plan) beinhalten zuerst die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur, bevor Bebauungspläne aufgestellt werden. Davon ist Bergisch Gladbach meilenweit entfernt. Die Ampel-Koalition hat hier noch nichts Entscheidendes voranbringen können. Engpässe an Schulen und Kitas bestehen fort; die Schulbau GmbH hat noch nicht einmal ihre Tätigkeit aufgenommen.
Hinzukommen erneut drohende städtische Haushaltsengpässe, beschleunigt durch den Ukrainekrieg, die notwendige Investitionen tendenziell schwieriger machen.

Riesige Bauflächen in der Stadt – Das Köttgen-Gelände

In einem Punkt stimmt die FWG der Studie allerdings zu: „Bergisch Gladbach wird den Wohnungsnotstand nicht allein bewältigen können. Es müssen regionale Strategien entwickelt werden.“
Benno Nuding: „Es kann doch nicht sein, dass Köln seine Hausaufgaben nicht macht und seine Wohnungsprobleme ins Umland verlagert.“
Genau dies geschieht aber, denn der Zuzug aus der Rheinschiene und damit die Zahl der Pendler steigt nach Aussagen der Studie immer weiter an.

Bei einer angenommenen gleichbleibender Bevölkerungsgröße in Bergisch Gladbach würden auch unter Berücksichtigung einer regelmäßigen Bestandserneuerung und selbst bei geringem Zusatzbedarf aber in den nächsten Jahren keine Engpässe entstehen.
Noch klarer zeigt sich dies bei dem prognostizierten Flächenbedarf. Unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Bewohnerzahl soll dieser nach der Studie bei 48-70 Hektar liegen. in dieser Zahl ist jedoch bereits die Flächen enthalten, die bereits mit Altbestand bebaut sind. Es handelt sich also keinesfalls um einen echten Neubedarf, wie das suggeriert wird.

Benno Nuding: „Die Stadt muss sich endlich darüber klar werden, wohin sie will. Die Frage ist, soll sie eine Großstadt im Grünen bleiben oder soll sie mit Köln verschmelzen.“

Denn eines ist klar: Weitere Bebauung und Versiegelung bedeuten zusätzliche klimatische Belastungen für die Menschen. So mahnt auch der neue Regionalplan, dass die Frischluftzufuhr aus dem Bergischen Land in Richtung Rheinschiene durch zunehmende Bebauung und Flächenversiegelung schon jetzt gefährdet ist.

Ohnehin ist der Flächenverbrauch in NRW zu hoch. Die von der Landesregierung selbstgesteckten Ziele zur Reduzierung werden regelmäßig verfehlt. Das Bekenntnis zum Flächensparen wird seit Jahren unzureichend umgesetzt. An Lippenbekenntnissen fehlt es hingegen nicht: Auf den Webseiten des NRW Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz heißt es: Flächeninanspruchnahme im Außenbereich ist aufgrund der vielfältigen Folgewirkungen nicht zukunftsfähig. Dem stimmt die FWG zu und dies gilt damit ebenso für die Schlussfolgerungen der Quaestio-Studie.

Bergisch Gladbach ist eine Stadt, in der die Altersgruppe der über 65jährigen stark vertreten ist. Die Studie kommt zur Erkenntnis, dass „damit auch mittelfristig ein Bevölkerungswachstum in Bergisch Gladbach nur durch die Zuwanderung von neuen Bewohnern möglich ist.“ Das heißt im Umkehrschluss, es werden laufend Wohnkapazitäten frei, wenn auch zeitlich versetzt. Und die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass dort, wo früher ein Einfamilienhaus für 2-4 Personen stand, nun Wohnkapazitäten geschaffen werden, die mindestens doppelt so vielen Menschen Wohnraum bietet.

RBS-Wohnbebauung in Hand

Im Übrigen: Die Studie wurde zu einer Zeit erstellt, als das Zanders-Gelände noch nicht für den Wohnungsmarkt zur Verfügung stand. Hier stehen nun insgesamt 37 Hektar Fläche bereit. Darüber hinaus sieht das Wachendorffgelände eine Vielzahl von Wohnungen vor. Beide könnten allein, wenn man zum Beispiel gelungene Art der neuen RBS-Bebauung in Hand zugrundelegt – dort entstehen 100 Wohneinheiten auf gut einem Hektar – fast 2000 Wohnungen gebaut werden, selbst wenn man Zanders nur zur Hälfte für den Wohnungsbau nutzt. Eines ist aber klar: Die Frage der Infrastruktur ist damit keinesfalls gelöst, sondern würde weiter verschärft.